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Staatspleite

Staatspleite: Ergebnis einer langfristig unsoliden Haushaltspolitik (Finanzpolitik)

Definition des Begriffs Staatspleite (Staatsbankrott) in Kurzform: Finanzielle Handlungsunfähigkeit eines Landes, die sich aus einer dauerhaften Zahlungsunfähigkeit ergibt, weil notwendige Zahlungsmittel nicht mehr vorhanden sind. Im Grunde ist es wie im „wahren Leben“: Forderungen aus laufenden Krediten können nicht bezahlt werden, eine neue Kreditaufnahme wird unmöglich, es drohen Konkurs und Insolvenz.

Im Unterschied zur privaten Insolvenz oder der von Unternehmen hat eine Staatspleite unvergleichbar größere Folgen, von denen nicht nur die Gläubiger betroffen sind, sondern das gesamte öffentliche Leben in diesem Land. Ein erheblicher Imageschaden wird als weitere Folge der Staatspleite angesehen. Dieser drückt sich in langanhaltender geringerer Kreditwürdigkeit (internationales Rating) auch nach Überwindung von Banken-, Finanz- und Währungskrise in diesem Land aus.

Die Staatspleite kann in zwei unterschiedlichen Formen auftreten. Außer der bereits geschilderten, die sich aufgrund gänzlicher oder teilweiser Nichterfüllung eingegangener Verpflichtungen zur Kredittilgung oder/und Zahlung von Zinsen einstellt, gibt es die folgende: Zahlungsverweigerung der Tilgungs-, Zinsraten, obwohl keine völlige Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Solcherart Staatspleite hat politisch motivierte Ursachen und kam in der Vergangenheit bei Regimewechseln vor, Beispiel: Nach der Oktoberrevolution 1917 übernahm die neugegründete Sowjetunion nicht die Schulden des vordem russischen Zarenreiches.

Ursache für eine Staatspleite ist Überschuldung, das heißt, die Staatsschulden wachsen an, weil Einnahmen und Ausgaben ins Ungleichgewicht geraten sind, was wiederum mannigfaltige Motive haben kann. Wesentlicher Hintergrund ist jedoch zumeist eine unsolide Finanzpolitik, die den Haushalt des von einer Staatspleite bedrohten Landes gefährdet.

Bei den zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) gehörenden Ländern hat die Staatsverschuldung bis hin zur etwaigen Staatspleite aufgrund der gemeinsamen Währung innerhalb der Euro-Zone eine neue Dimension.

Staatsverschuldung Deutschlands

Staatsverschuldung Deutschlands wächst seit 60er Jahren kontinuierlich

Obwohl die Staatsverschuldung Deutschlands im Vergleich zu anderen Ländern, insbesondere denen innerhalb des Staatenverbundes EU, als moderat gilt, ist sie seit den 1960er Jahren von kontinuierlichem Anwachsen gekennzeichnet. Zwischenzeitliche Schwankungen nach oben wie nach unten sind dabei inbegriffen. So bewegte sich die Staatsverschuldung Deutschlands im Jahr 2000 fast gegen Null, weil die Versteigerung der UMTS-Lizenzen an Bieter aus der Telekommunikationsbranche der Bundesnetzagentur satte Einnahmen bescherte. Demgegenüber wird die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten als Ursache für ein starkes Ansteigen der Staatsverschuldung Deutschlands gewertet, die sich in den Folgejahren allerdings relativierte, nicht zuletzt aufgrund besagter UMTS-Lizenzen.

Die Verschuldung eines Staates setzt sich im Allgemeinen aus den Schulden öffentlicher Haushalte zusammen. Privatpersonen, Unternehmen, Versicherungen und Kreditinstitute kaufen am Kapitalmarkt Schuldverschreibungen des Staates in Form von Anleihen und erhalten im Gegenzug dafür Zinsen. Kuriosum nicht nur bei der Staatsverschuldung Deutschlands: Nehmen beispielsweise Geldinstitute Kredite bei der jeweiligen Zentralbank (Notenbank) zum Zwecke des Kaufs von Staatsanleihen auf, leiht eine für die staatliche Geldpolitik zuständige Institution indirekt dem Staat das benötigte Geld.

Üblicherweise verteilen sich Schulden eines Staates auf kreditgebende Gläubiger aus dem In- und Ausland. Die Staatsverschuldung Deutschlands setzt sich aus etwa sechzig Prozent Schulden bei inländischen Gläubigern (Kreditinstitute und Nichtbanken) sowie vierzig Prozent Auslandsschulden zusammen. Angaben zur Staatsverschuldung berücksichtigen nicht die Forderungen des Staates gegenüber Dritten sowie Sach- und Vermögenswerte des Landes. Laut Statistischem Bundesamt hatte Deutschland zum Jahresanfang 2011 zirka 1.998 Milliarden Euro Schulden; hohe Zinszahlungen sind die Folge. Artikel 115 im Grundgesetz begrenzt in gewissem Maße die Staatsverschuldung Deutschlands.

Europäischer Stabilitätsmechanismus

Europäischer Stabilitätsmechanismus: Risikomanagement für Finanzkrisen

Die Europäische Union hat gegenwärtig 27 Mitgliedstaaten (Stand: 10/2011), von denen 17 den Euro als offizielle Landeswährung führen. Im Zuge der weltweiten Finanzkrise, die 2007 mit heftigen Zahlungsausfällen am US-amerikanischen Hypothekenmarkt begann, gerieten EU-Mitgliedsstaaten in erhebliche Zahlungsschwierigkeiten. Ein Krisen-/Risikomanagement, wie es der geplante Europäische Stabilitätsmechanismus werden soll, existierte zu diesem Zeitpunkt im Regelwerk der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) nicht. Zwar gibt es den Stabilitäts- und Wachstumspakt, dieser beinhaltet allerdings keine konkreten Maßnahmen für den Fall, dass einzelne EU-Mitgliedsstaaten Forderungen aus Krediten nicht mehr nachkommen und infolgedessen sogar Staatsinsolvenzen, also der Bankrott eines Staatshaushalts, droht.

Ein Europäischer Stabilitätsmechanismus, der für Mitte 2012 geplant ist, soll dauerhafte Verfahrensweisen enthalten, zu denen unter anderem Bürgschaften sowie Kredite mit günstigen Konditionen, beispielsweise bei Zinssatz oder Laufzeit, gehören. Inwieweit ein dauerhafter Europäischer Stabilitätsmechanismus Handlungsweisen bei Staatsinsolvenzen bereits einschließen würde, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bekannt. Die Problematik, kein permanentes Verfahren als Reaktion auf ernsthafte Finanzkrisen und drohende Verschuldung eines EU-Mitgliedsstaats bis hin zu dessen etwaigem Bankrott zu haben, trat mit der Griechenlandkrise erstmalig auf. Allerdings nicht das einzige EU-Land mit hoher Verschuldung; defizitäre Haushalte verzeichnet die Mehrheit aller EU-Staaten, woran auch der Stabilitäts- und Wachstumspakt nichts änderte.

Ein Europäischer Stabilitätsmechanismus soll einerseits Kredite an in Not geratenen Euro-Staaten gewähren, für die im Übrigen eine enge Partnerschaft mit dem Internationalen Währungsfonds IWF vorgesehen ist (betrifft auch Kreditvergabe), andererseits gleichfalls gesamtvolkswirtschaftliche Vorgaben zur Überwindung der Schuldenkrise im betreffenden EU-Staat enthalten. Der Europäische Stabilitätsmechanismus wird in Medien verkürzt als Euro-Rettungsschirm bezeichnet.

EU-Konvergenzkriterien

EU-Konvergenzkriterien seit Anbeginn in der Kritik

Als Konvergenz wird sinngemäß ein Zusammenspiel bezeichnet, bei dem verschiedene Sachverhalte dennoch in eine gleiche Richtung wirken sollen. Bezogen auf EU-Konvergenzkriterien sind verschiedene Sachverhalte die landestypischen Unterschiede beispielsweise hinsichtlich Wechselkurs-, Steuer-, Geld-, Lohnpolitik, Arbeitsmarkt, etc. Hinter der gleichen Richtung verbirgt sich, wenn es um EU-Konvergenzkriterien geht, das stete Ziel der Europäischen Union (EU): Stabilität der Wirtschaft in jedem zur EU gehörenden Land sowie Solidarität der Staaten untereinander. Letzteres sollte vor allem das Auftreten des Moral-Hazard-Problems verhindern, welches entsteht, wenn sich einzelne zu sehr auf zumeist finanzielle Hilfen von anderen verlassen.

EU-Konvergenzkriterien sind Vorgabewerte, die Staaten erfüllen müssen, um der Europäischen Union – nicht gleichbedeutend mit Europäischer Wirtschafts- und Währungsunion – beitreten zu können. Die Festlegung der EU-Konvergenzkriterien erfolgte zeitgleich mit dem Vertrag von Maastricht (EU-Vertrag) im Jahr 1992. Sie beinhalten Vorgabewerte in folgenden vier Schwerpunktbereichen: Preisstabilität (Inflation, Inflationsrate), stabiler Wechselkurs der Inlandwährung des beitrittswilligen Staates zum Euro (Wechselkursmechanismus II), stabile Zinssätze auf langfristige Staatsanleihen. Das vierte EU-Konvergenzkriterium wurde im Stabilitäts- und Wachstumspakt verankert, es betrifft die Stabilität öffentlicher Haushalte (staatlicher Schuldenstand, maximale Nettoneuverschuldung). Als Referenzwert für tolerierte Abweichungen von festgelegten EU-Konvergenzkriterien fungiert ein Mittelwert aus drei besten Daten in der jeweiligen Kategorie. Harte/weiche Gangart, was diese Toleranz betrifft, Ermessens-, Gestaltungsspielräume, Interpretierbarkeit der EU-Konvergenzkriterien sorgen seit Anbeginn für viel Kritik an diesem selbstauferlegten, gegenseitig verpflichtenden Regelwerk der EU.

Nichtbeistands-Klausel

Nichtbeistands-Klausel einerseits, Euro-Rettungsschirm andererseits

Grundlage der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) ist der Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1992, in dem die Nichtbeistands-Klausel (No-Bailout-Klausel) als ein maßgeblicher Grundsatz der EU aufgenommen wurde. Hervorgegangen aus der EG, legten sechs Gründungsmitglieder der EU – Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande – und später diese gemeinsam mit weiteren 21 EU-Mitgliedsstaaten wirtschafts- und währungspolitische Regelungen fest. Im Vertrag von Maastricht, auch kurz EU-Vertrag (EUV) genannt, wurde die Nichtbeistands-Klausel gleichlautend des Artikels 104b im EG-Vertrag berücksichtigt, in weiteren Vertragsreformen erfolgten in dieser Hinsicht kaum inhaltliche Änderungen. Neben dem Vertrag über die Europäische Union (EU) ist der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) grundlegende Basis des Staatenverbunds, der zugleich den weltweit größten gemeinsamen Markt darstellt.

Die seit Anbeginn bestehende Nichtbeistands-Klausel (No-Bailout-Klausel) besagt, dass eine Haftung der EU sowie sämtlicher Mitgliedsstaaten für Schulden / Verbindlichkeiten eines anderen Mitgliedsstaates ausgeschlossen ist. Andererseits basieren EUV und AEUV auf dem Prinzip der Solidarität, wonach dem Rat der EU Möglichkeiten für finanzielle Hilfsmaßnahmen in konkreten Notsituationen eines Mitgliedsstaats eingeräumt werden. Die Nichtbeistands-Klausel als Haftungsausschluss soll dennoch verdeutlichen, dass die konkrete Notsituation „Staatsbankrott“ die Übernahme von Staatsschulden keinesfalls vorsieht. Als finanzielle Hilfsmaßnahme dient der viel diskutierte Euro-Rettungsschirm.

Nichtbeistands-Klausel und Europäischer Stabilitätsmechanismus (Euro-Rettungsschirm) haben aufgrund krisenhafter Entwicklungen der Staatsschulden im Euroraum eine neuerliche Debatte entfacht, bei der sich Befürworter und Gegner eines europäischen Binnenmarktes gegenüberstehen. Manche Bürger, Betriebswirtschaftler, Volkswirte, Wissenschaftler, Mandatsträger, Politiker und Entscheidungsträger sehen im Europäischen Stabilitätsmechanismus (EFSF) eine Diskrepanz zur Nichtbeistands-Klausel (No-Bailout-Klausel). Einigkeit hingegen herrscht darüber, dass Regelungen für einen Staatsbankrott bisher völlig fehlen, denn weder Nichtbeistands-Klausel noch Euro-Rettungsschirm wären anwendbar.

Sixpack / Euro-Plus-Pakt

Sixpack / Euro-Plus-Pakt: Eines von diversen Maßnahmenbündeln der EU

Seit dem Jahr 2004 machen Ökonomen/Finanzexperten auf sich abzeichnende Krisen in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen, Börsenhandel aufmerksam. Seit 2007 versuchen Regierungen durch allerlei Maßnahmenbündel der Banken-, Finanz-, Wirtschaftskrise entgegenzuwirken. Eines davon ist der sogenannte Sixpack / Euro-Plus-Pakt, in dem es vorrangig um die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit in den europäischen Staaten geht, die sich dem nicht ratifizierten Abkommen angeschlossen haben. Sixpack ist im Falle des Euro-Plus-Pakts natürlich keine Verpackungseinheit einer Brauerei, zu dieser Sprachform kam es vermutlich, weil das bundesdeutsche Aktionsprogramm sechs Schwerpunkte beinhaltet, die zur Verwirklichung des Maßnahmenpakets beitragen sollen.

Schwerpunktthemen im Sixpack / Euro-Plus-Pakt sind internationale Wettbewerbsfähigkeit, Stabilisierung des Finanzsektors, Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Der bundesdeutsche Beitrag zum Euro-Plus-Pakt sieht ein Aktionsprogramm vor, in dem Themen wie Finanzierung von Hochschulen und Verkehrsinfrastruktur, Liberalisierung des Buslinienfernverkehrs, Wettbewerbsstärkung auf Gas-, Strommärkten sowie den Arbeitsmarkt betreffende Reformen vorkommen.

Weitere Inhalte des sogenannten Sixpacks betreffen öffentliche Finanzen, Steuerpolitik, Lohnentwicklungen und Sozialleistungen. Kritik an den mannigfaltig vorhandenen Abkommen besteht hauptsächlich in mangelnder Durchsetzung selbstauferlegter Maßnahmen zur Zukunftssicherung Europas. Neben Sixpack / Euro-Plus-Pakt gibt es den bereits erwähnten Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie den Euro-Rettungsschirm (Europäischer Stabilitätsmechanismus), der ab dem Jahr 2013 insbesondere Regeln zur Vergabe von Krediten und Bürgschaften an wirtschaftlich schwächere EU-Staaten beinhaltet.

Großbritannien, Schweden, Tschechien und Ungarn haben sich dem Sixpack / Euro-Plus-Pakt nicht angeschlossen. 17 Staaten der Euro-Zone sowie Dänemark, Polen, Bulgarien, Rumänien, Litauen und Lettland beschlossen im März 2011 auf einem Sondertreffen in Brüssel, dass der Sixpack / Euro-Plus-Pakt auf freiwilliger Zusammenarbeit beruht und kein völkerrechtliches Abkommen darstellt.

Stabilitäts- und Wachstumspakt

Stabilitäts- und Wachstumspakt soll Preisstabilität & solide Finanzpolitik sichern

Im Stabilitäts- und Wachstumspakt der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) sind Vereinbarungen zur Führung öffentlicher Haushalte enthalten, die mittelfristig als ausgeglichen angesehen werden. Eine Obergrenze des jährlichen Haushaltsdefizits von drei Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukt) sowie eine öffentliche Verschuldung bis sechzig Prozent des BIP gehören zu Grundregelungen, die im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgeschrieben wurden. Hinzu kommt als eine generelle Regelung, dass Staaten der Euro-Zone dem Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN-Rat) aktualisierte Jahresprogramme vorlegen müssen, aus denen Maßnahmen zum Erreichen einer soliden Haushaltspolitik hervorgehen.

Die Notwendigkeit, in einem Stabilitäts- und Wachstumspakt sowohl Ziele als auch Verpflichtungen bezüglich Preisstabilität sowie angestrebtes Wirtschaftswachstums festzuschreiben, ergaben sich aufgrund weltweiter Finanzkrisen, zudem aus sogenannter vergemeinschafteter Geldpolitik. Damit sind der Wegfall nationaler Geldpolitik und die Einführung des Euro als offizielle Währung in zurzeit 17 Staaten der Euro-Zone gemeint. Obwohl die Staatshoheit beispielsweise bei Fiskalpolitik (umgangssprachlich Finanzverwaltung eines Staates), Rechtssprechung etc. weitgehend erhalten bleibt, wirken sich Stabilitäts- und Wachstumspakt, EFSF, gemeinsame Währungs- und Wirtschaftspolitik doch auf Handlungsweisen eines Staates aus. Und das betrifft selbst jene Länder, die zwar der Europäischen Union (EU) angehören, nicht aber der Europäischen Währungsunion wie beispielsweise das Vereinigte Königreich oder Dänemark.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt beinhaltet neben o. g. Zielen zur Haushaltsführung und Staatsverschuldung auch Sanktionsmechanismen, die greifen sollen, wenn das geduldete Haushaltsdefizit überschritten wird. Dazu gehören Geldbußen, eine unverzinsliche Einlage in angemessener Höhe, Überprüfen der Handhabung von Darlehen sowie Veröffentlichen zusätzlicher Angaben bei Emission von Wertpapieren. Trotz steter Aktualisierung besteht anhaltende Kritik am Stabilitäts- und Wachstumspakt, insbesondere wegen des Nichtdurchsetzens der Sanktionsmechanismen, nicht aus.

Euro-Rettungsschirm

Euro-Rettungsschirm: Mit Krediten Finanzstabilität herstellen

Die unter den härteren Bedingungen der Globalisierung angestrebte Stabilisierung der Wirtschafts- und Währungsunion sowie deren Wachstum werden angesichts ständiger Krisen zunehmend problematischer. Euro-Rettungsschirm nennt sich umgangssprachlich der Europäische Stabilitätsmechanismus, welcher nach dem Willen der Euro-Zone als dauerhaftes Instrumentarium zur Unterstützung in Not geratener EU-Mitgliedsstaaten fungieren soll. Seit der Jahrtausendwende häufen sich krisenhafte Entwicklungen: Beginnend mit der US-Immobilienkrise folgten Finanz-, Banken-, Wirtschaftskrise ab 2007, Griechenlandkrise ab 2009. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt des Jahres 2011 sind trotz Euro-Rettungsschirm, Eurobonds, Schuldenbremse, Stabilitäts- und Wachstumspakts mit selbsternannten Vorgaben zum Führen relativ solider Staatshaushalte keine Verbesserungen eingetreten, im Gegenteil: Das krisengeschüttelte Europa muss nun auch noch eine Staatsschuldenkrise überwinden.

Der Euro-Rettungsschirm sieht die Schaffung eines dauerhaften Hilfsfonds vor, aus dem solche EU-Mitgliedsstaaten Kredite erhalten, die am Kapitalmarkt keine Kreditwürdigkeit mehr besitzen. Es wurden strenge Bedingungen für die Bewilligung von Krediten aus dem Euro-Rettungsschirm erarbeitet. Ein klar definiertes Reglement einschließlich Sanktionsmaßnahmen bei Nichteinhaltung beinhaltet allerdings auch der Stabilitäts- und Wirtschaftspakt. Die wenigsten der EU-Mitgliedstaaten erfüllen jedoch die EU-Konvergenzkriterien und Sanktionsmaßnahmen sind kaum durchsetzbar, weil einheitliche Beschlüsse, laut EU-Vertrag erforderlich, nicht zustande kommen können.

Im Euro-Rettungsschirm sind theoretisch Kredite in Höhe von 750 Milliarden Euro garantiert (Stand 07/2011): Aus dem EU-Haushalt, der Zweckgesellschaft für Anleihen mit Namen Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), Zusagen für Kredite bis 250 Milliarden Euro aus dem Internationalen Währungsfonds IWF. Die salopp PIIGS-Länder genannten Staaten Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien gelten als potenzielle Kreditnehmer aus dem Euro-Rettungsschirm, wobei Griechenland das Ranking anführt. Neben Krediten schließt der Euro-Rettungsschirm Bürgschaften, Garantien, andererseits Forderungen an die Kreditnehmer ein (Analyse der Staatsschuldenkrise, Anpassungsprogramme erstellen).

Moral-Hazard-Problem

Moral-Hazard-Problem in der modernen Industriegesellschaft

Charakteristisch für das sogenannte Moral-Hazard-Problem ist die Kollision der Interessen zwischen Vertragspartnern, wo Verhaltensänderungen bei einer der Vertragsparteien aufgrund einer vermeintlichen Absicherung gegen ein Risiko eintreten könnten. Ursprünglich bezeichneten Vertreter der Versicherungsbranche ein Moral-Hazard-Problem, wenn Versicherungsnehmer einer Feuerversicherung weniger Sorgfaltspflicht gegenüber Schadensvermeidung aufbrachten als solche Hausbesitzer, die nicht über eine entsprechende Risikoabsicherung in Form der dafür notwendigen Versicherung verfügten. Analog dazu kann das Moral-Hazard-Problem auf Autofahrer zutreffen, weil die Kfz-Versicherung zumindest das finanzielle Risiko minimiert. In diesem Sinne erweiterte sich das Moral-Hazard-Problem aufs Gebiet der Krankenversicherungen. Gesundheitssysteme in modernen Industriegesellschaften gestatten Versicherungsnehmern großzügigere Inanspruchnahme medizinischer Leistungen. Auch unter denen, die behandeln, also Ärzte, Naturheilpraktiker, etc., kann es zum Moral-Hazard-Problem kommen, wenn zum Beispiel relativ unnütze Behandlungen durchgeführt werden. Die Kosten trägt jeweils nicht der einzeln Handelnde, sondern die Gemeinschaft aller Versicherten.

Innerhalb moderner Industriegesellschaften droht ein Moral-Hazard-Problem in Bereichen des Staatswesens selbst (Beamtentum, Sozialstaat), im Finanzwesen und weiteren Wirtschaftzweigen, in denen immer auch Aspekte der Soziologie eine Rolle spielen (soziales Verhalten im Zusammenleben der Menschen). Beispiele für ein drohendes Moral-Hazard-Problem in den genannten Bereichen: Pensionsansprüche, Unkündbarkeit bei Beamten verringern eventuell deren Einsatzbereitschaft; Sozialleistungen des Staates beschränken teilweise Privatinitiative; erfolgsunabhängige Entlohnung könnte bei Arbeitnehmern in gewissem Maße sogar zu unbewusster Leistungsminderung führen.

Im hochaktuellen Kontext Finanzkrisen, Europäischer Stabilitätsmechanismus bis hin zu drohender Staatspleite wird unterm Moral-Hazard-Problem verstanden, dass beispielsweise Überschuldung vergleichsweise unproblematisch gesehen wird, weil EU-Mitgliedsstaaten Finanzhilfen voraussetzen.

Schuldenbremse

Schuldenbremsen sollen den Umgang mit Krediten regulieren

Stark angewachsene Staatsverschuldungen sollen mit einer sogenannten Schuldenbremse in kommenden Jahren und Jahrzehnten begrenzt werden. Nachdem bisher geltende Kriterien den auch auf Kosten zukünftiger Generationen (Generationengerechtigkeit) geschehenen Anstieg der Staatsverschuldung nicht verhinderten, wurden als Schuldenbremse bezeichnete Regulierungen auf nationaler sowie EU-Ebene festgeschrieben. Dreh- und Angelpunkt sind selbstauferlegte Bedingungen, die gegenwärtige und zukünftige Regierungen bei der Aufnahme von Krediten einhalten müssen. Möglichkeiten, mit Krediten die Finanzierung der Staatsausgaben zu bewerkstelligen, sollen mittels Schuldenbremse genau definierte Grenzen erhalten. Allerdings sehen sowohl nationale Regeln als auch der Stabilitäts- und Wachstumspakt – sozusagen die Schuldenbremse der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion – Ausnahmen vor, die zudem nicht frei von Interpretationsspielräumen sind. Zu den Ausnahmeregelungen, die Kredite als Einnahmequelle des Staates dann doch wieder erlauben, gehören Naturkatastrophen sowie die im Konjunkturzyklus auftretende schwere Rezession. Die Schuldenbremse der Schweiz hingegen sieht eine Verpflichtung des Bundes vor, wonach Einnahmen und Ausgaben des Staates über den Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichen gestaltet werden sollen. Das heißt, dass die Schuldenbremse der Schweiz, anders als beispielsweise in Deutschland, von vorneherein die weitreichend interpretierbare Ausnahmeregelung auch für Zeiten der Rezession ausschließt.

In Deutschland war für die Einführung der Schuldenbremse eine Änderung des Grundgesetzes notwendig, diese wurde im Jahr 2009 von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Eckpfeiler der Schuldenbremse für Deutschland sind Nettokreditaufnahme des Bundes in Höhe von maximal 0,35 Prozent des BIP (Bruttoinlandprodukt) ab 2016, Verbot einer Nettokreditaufnahme für Bundesländer ab 2020. Bis dahin sieht die Schuldenbremse für Deutschland eine Übergangsregelung vor.