Schlagwort-Archive: Volkswirtschaftslehre

Staatsinsolvenzordnung

Wird es zukünftig eine Staatsinsolvenzordnung geben?

Das Fehlen einer Staatsinsolvenzordnung lässt sich dadurch erklären, dass Ökonomen, Wirtschafts-, Finanz-, Politikwissenschaftler sowie Entscheidungsträger innerhalb der Europäischen Union (EU) davon ausgingen, dass eine Staatspleite kaum wahrscheinlich sei. Deutschland bräuchte deshalb keine Staatsinsolvenzordnung, weil rein theoretisch zusätzliche Geldmittel durch veränderte Steuergesetze verfügbar wären. Im Übrigen gelten hier bisheriges Steueraufkommen und das Staatsvermögen als sehr sicher, ein Indiz dafür ist auch der Ratingcode Aaa (Moody’s) für bundesdeutsche Staatsanleihen. Hinsichtlich der Staatsinsolvenzordnung betrifft in etwa dasselbe weitere EU-Mitgliedsstaaten wie beispielsweise Frankreich, Niederlande, Österreich, Luxemburg, deren Haushalt dennoch als vergleichsweise solide gewertet wird, obwohl die überwiegende Mehrheit aller EU-Mitgliedsstaaten, teilweise auch die genannten, selbstauferlegte Verschuldungs- und Defizitgrenze (EU-Konvergenzkriterien) nicht einhalten.

Die Staatsinsolvenzordnung müsste, analog der inländischen Insolvenzordnungen, Durchführungsbestimmungen für das Insolvenzverfahren gegen einen EU-Mitgliedsstaat enthalten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt des Jahres 2011 stellt sich die Verabschiedung einer Staatsinsolvenzordnung auf EU-Ebene wohl problematisch dar, denn Beschlüsse, Abkommen, etc. müssen von sämtlichen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Weshalb sollten die zurzeit als unsolide eingestuften EU-Mitgliedsstaaten Griechenland, Italien, Irland oder Spanien einer Staatsinsolvenzordnung zustimmen? In Medien und politischen Debatten steht nun der Austritt/Ausschluss einzelner Länder aus der Währungsunion zur Diskussion, was allerdings aufgrund geltender Verträge gleichzeitig den EU-Austritt bedeutet.

Staatsbankrotte hat es weltweit öfter gegeben, Beispiele: Deutschland 1945, Argentinien 2002. Zumeist folgte der Staatspleite eine Währungsreform, was im Falle Griechenland etc. aufgrund der gemeinsamen Euro-Währung nicht mehr möglich ist und daher eine Staatsinsolvenzordnung hilfreich sein könnte.

Haushaltskonsolidierung

Haushaltskonsolidierung ist in allen Wirtschaftseinheiten relevant

Synonyme für das Fremdwort Konsolidierung sind Stärkung, Festigung, Stabilisierung; Haushalte gibt es als private und öffentliche. Haushaltskonsolidierung wird im Zusammenhang mit dem Staat und seinen (Gebiets-)Körperschaften des öffentlichen Rechts kaum mehr als Festigung oder Stärkung der unterschiedlichen Haushalte (Gemeinde-, Kreis-, Landes-, Staats-, Verwaltungs-, Vermögenshaushalt) verstanden. Angesichts jahrzehntelanger Haushaltsdefizite geht es bei dieser Haushaltskonsolidierung nur noch um eine Verbesserung der gleichbleibend in Schieflage befindlichen Verhältnisse zwischen Einnahmen und Ausgaben. In Unternehmen sind es Aufwendungen und Erträge, die durch entsprechende Aktivitäten zur Haushaltskonsolidierung beitragen sollen, um stets den erforderlichen Gewinn zu sichern.

Zu den Maßnahmen, die gemeinhin unter dem Begriff Haushaltskonsolidierung zusammengefasst werden können, gehören beispielsweise Verringerung der kurzfristigen Verbindlichkeiten, Umschuldung zur Verbesserung der Zinsrechnung, keine Neuverschuldung, Personalabbau, Einstellungsstopp, Leistungskürzungen, Outsourcing, aber auch Straffung des Managements oder der Verwaltung etc. Staatliche Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung schließen überdies Steuer-, Gebührenerhöhungen oder etwaige Einsparungen in den Etats für Bildung, Gesundheitswesen, Kinderbetreuung, Sozialleistungen ein. Hinsichtlich der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum zählen Europäischer Stabilitätsmechanismus, EFSF (Euro-Rettungsschirm), Euro-Plus-Pakt zu den Mitteln, die eine Haushaltskonsolidierung in wirtschaftlich schwächeren EU-Mitgliedsstaaten bewirken sollen. In allen Wirtschaftsbereichen, inklusive der Staatsverschuldung, haben Kredite, deren Tilgung sowie die Zahlung der Zinsen für eine Haushaltskonsolidierung ausschlaggebende Bedeutung. Im Privathaushalt ist, analog der Finanzsituation / Kapitalstruktur in Unternehmen, die Umwandlung kurzfristiger in langfristige Schulden auch eine Haushaltskonsolidierung. Für Privathaushalte käme statt des Dispositionskredits ein Ratenkredit infrage, wenn die Zinsen niedriger als beim Dispo sind.

Unausgeglichene Haushalte stellen idealerweise einen Haushaltsplan mit konkreten Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung auf; in bundesdeutschen Kommunen eine Pflichtaufgabe (Haushaltssicherungskonzept).

No-Bailout-Klausel

No-Bailout-Klausel, EFSF, Euro-Krise und die Zukunft Europas

Die No-Bailout-Klausel (Nichtbeistands-Klausel) gehört seit Bestehen der Europäischen Union (EU) zum Vertragswerk dieses Staatenverbundes, in dem zurzeit 27 Länder vertreten sind (Stand: 10/2011). Deutschland setzte sich besonders für eine Aufnahme der No-Bailout-Klausel in den Vertrag von Maastricht ein; nannte es eine wesentliche Voraussetzung für den EU-Beitritt.

Bail heißt aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt Sicherheitsleistung, no und out sind bekannt. Die No-Bailout-Klausel (Nichtbeistands-Klausel) besagt, dass kein EU-Mitgliedstaat für Schulden und Verbindlichkeiten eines anderen Mitgliedstaates haftet. Auch dann nicht, wenn wirtschaftlich schwächere EU-Mitgliedsstaaten in eine Verschuldungskrise geraten. Vor dem Hintergrund Euro-Krise, Europäischer Stabilitätsmechanismus (EFSF) und der Zukunft des Binnenmarkts Europa rückt die No-Bailout-Klausel mit in den Mittelpunkt tagesaktueller Politdebatten zwischen Befürwortern und Gegnern der Europäischen Union. Insbesondere der sogenannte Euro-Rettungsschirm einerseits und die im Vertrag von Maastricht installierte No-Bailout-Klausel (Nichtbeistands-Klausel) andererseits könnten konträres Handeln der Politik vermuten lassen. Allerdings scheint – wie in der Politik vermeintlich üblich – seit dem Vertrag von Lissabon die No-Bailout-Klausel noch mehr interpretierbar als vordem. Denn seit 2009, als besagter Vertrag in Kraft trat, enthält Artikel 125 Abs. 2 des AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) einen Zusatz, wonach „auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments die Definitionen für die Anwendung der in den Artikeln […] vorgesehenen Verbote näher“ bestimmbar seien.

Auslegungsmöglichkeiten bestehen durch unterschiedliche Auffassungen zur freiwilligen Übernahme fremder Schulden. Die Formulierung des neuhinzugefügten zweiten Abschnitts der No-Bailout-Klausel im AEUV soll „vorgesehene Verbote“ konkretisieren, was bisher nicht erfolgte. Somit bilden mögliche freiwillige Schuldenübernahmen und Wortlaut der Nichtbeistands-Klausel im EU-Vertrag für zwei Seiten einer Medaille, während andere gerade den Euro-Rettungsschirm als Verstoß gegen die festgeschriebene No-Bailout-Klausel werten.

EFSF Bonds

EFSF Bonds sollen Kredite für EU-Mitgliedsstaaten finanzieren

Printmedien, Hörfunk, Fernsehen und allerlei Dienstleister im Internet mühen sich mehr oder minder redlich, EFSF Bonds, Eurobonds, ESM (Euro-Rettungsschirm) und weitere Aktivitäten, die EU-Mitgliedsstaaten mit Beginn vielbenannter Krisen seit dem Jahr 2007 unternehmen, zu erläutern. In diesem Gewirr von diversen Pakten oder Maßnahmepaketen werden EFSF Bonds und die geplanten EU-Anleihen (sogenannte Eurobonds) oftmals in einen Topf geworfen. Dennoch sind es zwei unterschiedliche Dinge, allerdings gelten beide als Instrumentarien, die dem Euro-Rettungsschirm angehören, womit für Otto Normalverbraucher die Verwirrung komplett sein dürfte.

Um EFSF Bonds am Kapitalmarkt platzieren zu können, musste die Zweckgesellschaft European Financial Stability Facility (EFSF) gegründet werden, weil Kritiker ansonsten die im EU-Vertrag verankerte Nichtbeistandsklausel verletzt gesehen hätten. Eine Notwendigkeit zur Gründung jener Zweckgesellschaft, der die Mitgliedsstaaten der Euro-Zone als Gesellschafter angehören, ergab sich aus einer schwerwiegenden Staatsverschuldung mehrerer EU-Länder beziehungsweise auch aus der eingetretenen Bankenkrise seit 2007. Das Geld, welches mittels EFSF Bonds eingesammelt wird, verwenden besagte EU-Staaten für Kredite, die hochverschuldete EU-Länder zwecks Haushaltskonsolidierung erhalten.

Die Ausgabe von EFSF Bonds stieß Anfang des Jahres 2011 auf großes Interesse bei Investoren, weil der Zinssatz von 2,70 Prozent zu diesem Zeitpunkt höher lag als bei vergleichbaren Staatsanleihen. An dieser Stelle sei auf den Unterschied zwischen EFSF Bonds und geplanter EU-Anleihe hingewiesen: Letztere könnte als vergemeinschaftete Staatsanleihe bezeichnet werden, denn EU-Staaten nähmen gemeinsam Schulden am Finanzmarkt in Form von Krediten auf, die Haftung für Kreditrückzahlung und Zinsen erfolgte gesamtschuldnerisch. EFSF Bonds sind Anleihen der Zweckgesellschaft Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (European Financial Stability Facility).

Staatspleite

Staatspleite: Ergebnis einer langfristig unsoliden Haushaltspolitik (Finanzpolitik)

Definition des Begriffs Staatspleite (Staatsbankrott) in Kurzform: Finanzielle Handlungsunfähigkeit eines Landes, die sich aus einer dauerhaften Zahlungsunfähigkeit ergibt, weil notwendige Zahlungsmittel nicht mehr vorhanden sind. Im Grunde ist es wie im „wahren Leben“: Forderungen aus laufenden Krediten können nicht bezahlt werden, eine neue Kreditaufnahme wird unmöglich, es drohen Konkurs und Insolvenz.

Im Unterschied zur privaten Insolvenz oder der von Unternehmen hat eine Staatspleite unvergleichbar größere Folgen, von denen nicht nur die Gläubiger betroffen sind, sondern das gesamte öffentliche Leben in diesem Land. Ein erheblicher Imageschaden wird als weitere Folge der Staatspleite angesehen. Dieser drückt sich in langanhaltender geringerer Kreditwürdigkeit (internationales Rating) auch nach Überwindung von Banken-, Finanz- und Währungskrise in diesem Land aus.

Die Staatspleite kann in zwei unterschiedlichen Formen auftreten. Außer der bereits geschilderten, die sich aufgrund gänzlicher oder teilweiser Nichterfüllung eingegangener Verpflichtungen zur Kredittilgung oder/und Zahlung von Zinsen einstellt, gibt es die folgende: Zahlungsverweigerung der Tilgungs-, Zinsraten, obwohl keine völlige Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Solcherart Staatspleite hat politisch motivierte Ursachen und kam in der Vergangenheit bei Regimewechseln vor, Beispiel: Nach der Oktoberrevolution 1917 übernahm die neugegründete Sowjetunion nicht die Schulden des vordem russischen Zarenreiches.

Ursache für eine Staatspleite ist Überschuldung, das heißt, die Staatsschulden wachsen an, weil Einnahmen und Ausgaben ins Ungleichgewicht geraten sind, was wiederum mannigfaltige Motive haben kann. Wesentlicher Hintergrund ist jedoch zumeist eine unsolide Finanzpolitik, die den Haushalt des von einer Staatspleite bedrohten Landes gefährdet.

Bei den zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) gehörenden Ländern hat die Staatsverschuldung bis hin zur etwaigen Staatspleite aufgrund der gemeinsamen Währung innerhalb der Euro-Zone eine neue Dimension.

Staatsverschuldung Deutschlands

Staatsverschuldung Deutschlands wächst seit 60er Jahren kontinuierlich

Obwohl die Staatsverschuldung Deutschlands im Vergleich zu anderen Ländern, insbesondere denen innerhalb des Staatenverbundes EU, als moderat gilt, ist sie seit den 1960er Jahren von kontinuierlichem Anwachsen gekennzeichnet. Zwischenzeitliche Schwankungen nach oben wie nach unten sind dabei inbegriffen. So bewegte sich die Staatsverschuldung Deutschlands im Jahr 2000 fast gegen Null, weil die Versteigerung der UMTS-Lizenzen an Bieter aus der Telekommunikationsbranche der Bundesnetzagentur satte Einnahmen bescherte. Demgegenüber wird die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten als Ursache für ein starkes Ansteigen der Staatsverschuldung Deutschlands gewertet, die sich in den Folgejahren allerdings relativierte, nicht zuletzt aufgrund besagter UMTS-Lizenzen.

Die Verschuldung eines Staates setzt sich im Allgemeinen aus den Schulden öffentlicher Haushalte zusammen. Privatpersonen, Unternehmen, Versicherungen und Kreditinstitute kaufen am Kapitalmarkt Schuldverschreibungen des Staates in Form von Anleihen und erhalten im Gegenzug dafür Zinsen. Kuriosum nicht nur bei der Staatsverschuldung Deutschlands: Nehmen beispielsweise Geldinstitute Kredite bei der jeweiligen Zentralbank (Notenbank) zum Zwecke des Kaufs von Staatsanleihen auf, leiht eine für die staatliche Geldpolitik zuständige Institution indirekt dem Staat das benötigte Geld.

Üblicherweise verteilen sich Schulden eines Staates auf kreditgebende Gläubiger aus dem In- und Ausland. Die Staatsverschuldung Deutschlands setzt sich aus etwa sechzig Prozent Schulden bei inländischen Gläubigern (Kreditinstitute und Nichtbanken) sowie vierzig Prozent Auslandsschulden zusammen. Angaben zur Staatsverschuldung berücksichtigen nicht die Forderungen des Staates gegenüber Dritten sowie Sach- und Vermögenswerte des Landes. Laut Statistischem Bundesamt hatte Deutschland zum Jahresanfang 2011 zirka 1.998 Milliarden Euro Schulden; hohe Zinszahlungen sind die Folge. Artikel 115 im Grundgesetz begrenzt in gewissem Maße die Staatsverschuldung Deutschlands.

Europäischer Stabilitätsmechanismus

Europäischer Stabilitätsmechanismus: Risikomanagement für Finanzkrisen

Die Europäische Union hat gegenwärtig 27 Mitgliedstaaten (Stand: 10/2011), von denen 17 den Euro als offizielle Landeswährung führen. Im Zuge der weltweiten Finanzkrise, die 2007 mit heftigen Zahlungsausfällen am US-amerikanischen Hypothekenmarkt begann, gerieten EU-Mitgliedsstaaten in erhebliche Zahlungsschwierigkeiten. Ein Krisen-/Risikomanagement, wie es der geplante Europäische Stabilitätsmechanismus werden soll, existierte zu diesem Zeitpunkt im Regelwerk der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) nicht. Zwar gibt es den Stabilitäts- und Wachstumspakt, dieser beinhaltet allerdings keine konkreten Maßnahmen für den Fall, dass einzelne EU-Mitgliedsstaaten Forderungen aus Krediten nicht mehr nachkommen und infolgedessen sogar Staatsinsolvenzen, also der Bankrott eines Staatshaushalts, droht.

Ein Europäischer Stabilitätsmechanismus, der für Mitte 2012 geplant ist, soll dauerhafte Verfahrensweisen enthalten, zu denen unter anderem Bürgschaften sowie Kredite mit günstigen Konditionen, beispielsweise bei Zinssatz oder Laufzeit, gehören. Inwieweit ein dauerhafter Europäischer Stabilitätsmechanismus Handlungsweisen bei Staatsinsolvenzen bereits einschließen würde, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bekannt. Die Problematik, kein permanentes Verfahren als Reaktion auf ernsthafte Finanzkrisen und drohende Verschuldung eines EU-Mitgliedsstaats bis hin zu dessen etwaigem Bankrott zu haben, trat mit der Griechenlandkrise erstmalig auf. Allerdings nicht das einzige EU-Land mit hoher Verschuldung; defizitäre Haushalte verzeichnet die Mehrheit aller EU-Staaten, woran auch der Stabilitäts- und Wachstumspakt nichts änderte.

Ein Europäischer Stabilitätsmechanismus soll einerseits Kredite an in Not geratenen Euro-Staaten gewähren, für die im Übrigen eine enge Partnerschaft mit dem Internationalen Währungsfonds IWF vorgesehen ist (betrifft auch Kreditvergabe), andererseits gleichfalls gesamtvolkswirtschaftliche Vorgaben zur Überwindung der Schuldenkrise im betreffenden EU-Staat enthalten. Der Europäische Stabilitätsmechanismus wird in Medien verkürzt als Euro-Rettungsschirm bezeichnet.

EU-Konvergenzkriterien

EU-Konvergenzkriterien seit Anbeginn in der Kritik

Als Konvergenz wird sinngemäß ein Zusammenspiel bezeichnet, bei dem verschiedene Sachverhalte dennoch in eine gleiche Richtung wirken sollen. Bezogen auf EU-Konvergenzkriterien sind verschiedene Sachverhalte die landestypischen Unterschiede beispielsweise hinsichtlich Wechselkurs-, Steuer-, Geld-, Lohnpolitik, Arbeitsmarkt, etc. Hinter der gleichen Richtung verbirgt sich, wenn es um EU-Konvergenzkriterien geht, das stete Ziel der Europäischen Union (EU): Stabilität der Wirtschaft in jedem zur EU gehörenden Land sowie Solidarität der Staaten untereinander. Letzteres sollte vor allem das Auftreten des Moral-Hazard-Problems verhindern, welches entsteht, wenn sich einzelne zu sehr auf zumeist finanzielle Hilfen von anderen verlassen.

EU-Konvergenzkriterien sind Vorgabewerte, die Staaten erfüllen müssen, um der Europäischen Union – nicht gleichbedeutend mit Europäischer Wirtschafts- und Währungsunion – beitreten zu können. Die Festlegung der EU-Konvergenzkriterien erfolgte zeitgleich mit dem Vertrag von Maastricht (EU-Vertrag) im Jahr 1992. Sie beinhalten Vorgabewerte in folgenden vier Schwerpunktbereichen: Preisstabilität (Inflation, Inflationsrate), stabiler Wechselkurs der Inlandwährung des beitrittswilligen Staates zum Euro (Wechselkursmechanismus II), stabile Zinssätze auf langfristige Staatsanleihen. Das vierte EU-Konvergenzkriterium wurde im Stabilitäts- und Wachstumspakt verankert, es betrifft die Stabilität öffentlicher Haushalte (staatlicher Schuldenstand, maximale Nettoneuverschuldung). Als Referenzwert für tolerierte Abweichungen von festgelegten EU-Konvergenzkriterien fungiert ein Mittelwert aus drei besten Daten in der jeweiligen Kategorie. Harte/weiche Gangart, was diese Toleranz betrifft, Ermessens-, Gestaltungsspielräume, Interpretierbarkeit der EU-Konvergenzkriterien sorgen seit Anbeginn für viel Kritik an diesem selbstauferlegten, gegenseitig verpflichtenden Regelwerk der EU.

Nichtbeistands-Klausel

Nichtbeistands-Klausel einerseits, Euro-Rettungsschirm andererseits

Grundlage der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) ist der Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1992, in dem die Nichtbeistands-Klausel (No-Bailout-Klausel) als ein maßgeblicher Grundsatz der EU aufgenommen wurde. Hervorgegangen aus der EG, legten sechs Gründungsmitglieder der EU – Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande – und später diese gemeinsam mit weiteren 21 EU-Mitgliedsstaaten wirtschafts- und währungspolitische Regelungen fest. Im Vertrag von Maastricht, auch kurz EU-Vertrag (EUV) genannt, wurde die Nichtbeistands-Klausel gleichlautend des Artikels 104b im EG-Vertrag berücksichtigt, in weiteren Vertragsreformen erfolgten in dieser Hinsicht kaum inhaltliche Änderungen. Neben dem Vertrag über die Europäische Union (EU) ist der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) grundlegende Basis des Staatenverbunds, der zugleich den weltweit größten gemeinsamen Markt darstellt.

Die seit Anbeginn bestehende Nichtbeistands-Klausel (No-Bailout-Klausel) besagt, dass eine Haftung der EU sowie sämtlicher Mitgliedsstaaten für Schulden / Verbindlichkeiten eines anderen Mitgliedsstaates ausgeschlossen ist. Andererseits basieren EUV und AEUV auf dem Prinzip der Solidarität, wonach dem Rat der EU Möglichkeiten für finanzielle Hilfsmaßnahmen in konkreten Notsituationen eines Mitgliedsstaats eingeräumt werden. Die Nichtbeistands-Klausel als Haftungsausschluss soll dennoch verdeutlichen, dass die konkrete Notsituation „Staatsbankrott“ die Übernahme von Staatsschulden keinesfalls vorsieht. Als finanzielle Hilfsmaßnahme dient der viel diskutierte Euro-Rettungsschirm.

Nichtbeistands-Klausel und Europäischer Stabilitätsmechanismus (Euro-Rettungsschirm) haben aufgrund krisenhafter Entwicklungen der Staatsschulden im Euroraum eine neuerliche Debatte entfacht, bei der sich Befürworter und Gegner eines europäischen Binnenmarktes gegenüberstehen. Manche Bürger, Betriebswirtschaftler, Volkswirte, Wissenschaftler, Mandatsträger, Politiker und Entscheidungsträger sehen im Europäischen Stabilitätsmechanismus (EFSF) eine Diskrepanz zur Nichtbeistands-Klausel (No-Bailout-Klausel). Einigkeit hingegen herrscht darüber, dass Regelungen für einen Staatsbankrott bisher völlig fehlen, denn weder Nichtbeistands-Klausel noch Euro-Rettungsschirm wären anwendbar.

Sixpack / Euro-Plus-Pakt

Sixpack / Euro-Plus-Pakt: Eines von diversen Maßnahmenbündeln der EU

Seit dem Jahr 2004 machen Ökonomen/Finanzexperten auf sich abzeichnende Krisen in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen, Börsenhandel aufmerksam. Seit 2007 versuchen Regierungen durch allerlei Maßnahmenbündel der Banken-, Finanz-, Wirtschaftskrise entgegenzuwirken. Eines davon ist der sogenannte Sixpack / Euro-Plus-Pakt, in dem es vorrangig um die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit in den europäischen Staaten geht, die sich dem nicht ratifizierten Abkommen angeschlossen haben. Sixpack ist im Falle des Euro-Plus-Pakts natürlich keine Verpackungseinheit einer Brauerei, zu dieser Sprachform kam es vermutlich, weil das bundesdeutsche Aktionsprogramm sechs Schwerpunkte beinhaltet, die zur Verwirklichung des Maßnahmenpakets beitragen sollen.

Schwerpunktthemen im Sixpack / Euro-Plus-Pakt sind internationale Wettbewerbsfähigkeit, Stabilisierung des Finanzsektors, Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Der bundesdeutsche Beitrag zum Euro-Plus-Pakt sieht ein Aktionsprogramm vor, in dem Themen wie Finanzierung von Hochschulen und Verkehrsinfrastruktur, Liberalisierung des Buslinienfernverkehrs, Wettbewerbsstärkung auf Gas-, Strommärkten sowie den Arbeitsmarkt betreffende Reformen vorkommen.

Weitere Inhalte des sogenannten Sixpacks betreffen öffentliche Finanzen, Steuerpolitik, Lohnentwicklungen und Sozialleistungen. Kritik an den mannigfaltig vorhandenen Abkommen besteht hauptsächlich in mangelnder Durchsetzung selbstauferlegter Maßnahmen zur Zukunftssicherung Europas. Neben Sixpack / Euro-Plus-Pakt gibt es den bereits erwähnten Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie den Euro-Rettungsschirm (Europäischer Stabilitätsmechanismus), der ab dem Jahr 2013 insbesondere Regeln zur Vergabe von Krediten und Bürgschaften an wirtschaftlich schwächere EU-Staaten beinhaltet.

Großbritannien, Schweden, Tschechien und Ungarn haben sich dem Sixpack / Euro-Plus-Pakt nicht angeschlossen. 17 Staaten der Euro-Zone sowie Dänemark, Polen, Bulgarien, Rumänien, Litauen und Lettland beschlossen im März 2011 auf einem Sondertreffen in Brüssel, dass der Sixpack / Euro-Plus-Pakt auf freiwilliger Zusammenarbeit beruht und kein völkerrechtliches Abkommen darstellt.