Tarifautonomie

Tarifautonomie umfasst das in Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz verankerte Recht der eigenständigen Regelung von Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen. Es ist das Recht der Verbände des Arbeitsmarktes (Unternehmerverbände, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände), Vereinbarungen frei von staatlichen Eingriffen zu treffen, insbesondere betrifft dies z.B. Tarifverträge über das Arbeitsentgelt. Das Aushandeln von letzteren ist deshalb verfassungsrechtlich garantiert, da es ein wesentlicher Zweck von Koalitionen ist und somit Teil der Koalitionsfreiheit darstellt.

Neben dem autonomen Abschluss von Tarifverträgen sind auch Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluss ebensolcher Tarifverträge gerichtet sind, verfassungsrechtlich geschützt. Eingeschränkt werden kann die Tarifautonomie nur dann, wenn es für den Schutz von Grundrechten Dritter unerlässlich ist oder wenn das Bundesarbeitsgericht entsprechende Grundsatzentscheidungen vornimmt.

Konkretisiert wird das Konzept im sogenannten Tarifvertragsgesetz, das die rechtlichen Rahmenbedingungen für Tarifverhandlungen festhält sowie die Tariffähigkeit und die Tarifzuständigkeit der Vertragsparteien klärt. Im Tarifvertrag werden Rechte und Pflichten der einzelnen Parteien geregelt sowie Rechtsnormen festgelegt, die den Abschluss, den Inhalt und das Beenden von Arbeitsverhältnissen betreffen. Auch betriebsverfassungsrechtliche und betriebliche Inhalte können durch die Rechtsnormen im Tarifvertrag geordnet werden.

Arbeitgeber sind rechtlich gesehen lediglich dazu verpflichtet, die Mitglieder des tarifgebundenen Verbandes zu den vereinbarten Bedingungen zu beschäftigen. In den meisten Fällen werden jedoch auch Nichtmitgliedern solche Bedingungen gewährt, da sie durch eine Schlechterstellung zum Eintritt in die Gewerkschaft motiviert würden. Sind besimmte Voraussetzungen gegeben, kann eine Partei des Tarifvertrages auch beim Bundesminister für Arbeit und Soziales beantragen, dass ein bestimmter Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird, womit im jeweiligen Geltungsbereich auch Nichtmitglieder der Parteien gebunden würden.

Die Tarifautonomie kann in ihrer Praxis auch als direkte Anwendung des Subsidiaritätsprinzips gesehen werden. Den Tarifvertragsparteien wird eine wirtschaftspolitische Kompetenz eingeräumt, in der der Staat, der ja weiterhin die rechtlichen Rahmenbedingungen setzt, sich zwar weiter als übergeordnete Einheit wahrnimmt, es jedoch nicht als seine Aufgabe sieht, Lohn- und Arbeitsbedingungen festzusetzen. Stattdessen überlässt er dies in Form einer „staatlichen Sanktionsleihe“ den mit der Materie vertrauten Parteien.