Moral-Hazard-Problem

Moral-Hazard-Problem in der modernen Industriegesellschaft

Charakteristisch für das sogenannte Moral-Hazard-Problem ist die Kollision der Interessen zwischen Vertragspartnern, wo Verhaltensänderungen bei einer der Vertragsparteien aufgrund einer vermeintlichen Absicherung gegen ein Risiko eintreten könnten. Ursprünglich bezeichneten Vertreter der Versicherungsbranche ein Moral-Hazard-Problem, wenn Versicherungsnehmer einer Feuerversicherung weniger Sorgfaltspflicht gegenüber Schadensvermeidung aufbrachten als solche Hausbesitzer, die nicht über eine entsprechende Risikoabsicherung in Form der dafür notwendigen Versicherung verfügten. Analog dazu kann das Moral-Hazard-Problem auf Autofahrer zutreffen, weil die Kfz-Versicherung zumindest das finanzielle Risiko minimiert. In diesem Sinne erweiterte sich das Moral-Hazard-Problem aufs Gebiet der Krankenversicherungen. Gesundheitssysteme in modernen Industriegesellschaften gestatten Versicherungsnehmern großzügigere Inanspruchnahme medizinischer Leistungen. Auch unter denen, die behandeln, also Ärzte, Naturheilpraktiker, etc., kann es zum Moral-Hazard-Problem kommen, wenn zum Beispiel relativ unnütze Behandlungen durchgeführt werden. Die Kosten trägt jeweils nicht der einzeln Handelnde, sondern die Gemeinschaft aller Versicherten.

Innerhalb moderner Industriegesellschaften droht ein Moral-Hazard-Problem in Bereichen des Staatswesens selbst (Beamtentum, Sozialstaat), im Finanzwesen und weiteren Wirtschaftzweigen, in denen immer auch Aspekte der Soziologie eine Rolle spielen (soziales Verhalten im Zusammenleben der Menschen). Beispiele für ein drohendes Moral-Hazard-Problem in den genannten Bereichen: Pensionsansprüche, Unkündbarkeit bei Beamten verringern eventuell deren Einsatzbereitschaft; Sozialleistungen des Staates beschränken teilweise Privatinitiative; erfolgsunabhängige Entlohnung könnte bei Arbeitnehmern in gewissem Maße sogar zu unbewusster Leistungsminderung führen.

Im hochaktuellen Kontext Finanzkrisen, Europäischer Stabilitätsmechanismus bis hin zu drohender Staatspleite wird unterm Moral-Hazard-Problem verstanden, dass beispielsweise Überschuldung vergleichsweise unproblematisch gesehen wird, weil EU-Mitgliedsstaaten Finanzhilfen voraussetzen.